Was japanische Muster so faszinierend macht…
… das ist mit Sicherheit auch die unglaubliche Vielfalt der Muster. Jedes Muster ist in unendlich vielen Variationen und Kombinationen anzutreffen, ob nun auf Papier (Origami), auf Stoff (Kimono), auf Holz (Yosegi-zaiku) oder anderen Untergründen. Man kann sich einfach nicht sattsehen und es wird nie langweilig, japanische Muster zu betrachten, sie in veränderter Form wiederzuerkennen, zu erfahren, was dahintersteckt.
Oft trifft man auf interessante geschichtliche, sagenhafte oder religiöse Hintergründe, die kaum bekannt sind. Viele der Motive sind schon seit sehr langer Zeit in unveränderter Form anzutreffen. Aber immer gibt es Variationen, die manchmal so abstrahiert sind, dass man das Originalmotiv kaum noch wiedererkennt.
Japanische Muster: links als Grafik, rechts auf Stoff
Asanoha – Hanfblüte – あさのは - 麻の葉

Die Hanfblüte als Symbol für schnelles und gesundes Wachstum ist traditionell in Japan ein beliebtes Muster für den Kimono eines Neugeborenen (ubugi). Allerdings ist dieses Motiv auch bei Erwachsenen sehr beliebt. Auch in der Holzmosaiktechnik „Yosegi-Zaiku“ ist das Asanoha-Muster häufig zu sehen. Ein ununterbrochenes Asanoha-Muster bezeichnet man auf Japanisch auch als „Asanoha-tsunagi“.
Hanfblüten wurden in Japan in uralten Zeiten unter anderem zur Ölherstellung verwendet. Vor allem wurde Hanfbast aber neben Seide jahrhundertelang als Rohmaterial für Textilien verwendet, bis dann die Baumwoll nach Japan kam und den Hanf als gebräuchlichstes Textil verdrängte. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges nahm der Hanf-Anbau ebensoviel Fläche in der Landwirtschaft ein wie der Reisanbau!
Das Asanoha-Muster ist etwa seit der Heian-Ära bekannt (794–1185). Damals wurde das Motiv zur Dekoration von Buddha-Statuen verwendet. Seit ein berühmter Kabuki-Schauspieler der Edo-Zeit in einem Asanoha-gemusterten Kimono auftrat, wurde das Asanoha-Muster als Kimono-Motiv schnell beliebter.
Seigaiha – Wellen – せいがいは - 青海波

Dieses Muster stellt Ozeanwellen dar. Man nimmt an, dass der Ursprung dieses Musters in der klassischen japanischen Hofmusik liegt. Dort gibt es einen Tanz „Seikaiha“, bei dem die Tänzer in einen wellengemusterten Kimono gekleidet, mit den Ärmeln wellenförmige Bewegungen ausführen.
Der erste Fund eines Seigaiha-Musters in Japan war auf einer Haniwa-Mädchenfigur aus Ton.
Sayagata – Swastika – さやがた - 紗綾形

Das Sayagata-Muster setzt sich aus einem gleichmäßigen Gitter aus vielen einzelnen, links- und rechtsgewinkelten Swastika-Symbolen zusammen, die durch Linien miteinander verbunden sind. Der Begriff „Sayagata“ bezieht sich lediglich auf dieses Muster als Stoffmotiv.
Ganz allgemein bezeichnet man das Swastika-Symbol auch als „manjimon“ (万字文). Zeigen die Enden nach links, nennt man es kurz „manji“ (卍, bzw. 卍字, auch 万字), zeigen sie nach rechts, nennt man es gyaku-manji (逆卍) oder migi-manji (右卍). Als einzelnes, nach links gerichtetes Symbol dient es auf Landkarten als Zeichen für buddhistische Tempel.
Das Swastika-Symbol ist ein Glückssymbol, das mit dem Buddhismus von Indien über China nach Japan kam. Als Stoffmuster kam das Sayagata-Motiv im späten 16. Jahrhundert aus China nach Japan.
Kanoko – Sprenkelmuster (jp. „Rehkitz“) かのこ 鹿の子

Dieses Muster ahmt das Fellmuster eines Rehkitzes nach („kanoko“ ist der japanische Begriff für „Rehkitz“).
Das Kanoko-Muster gibt es schon mindestens seit der Nara-Zeit (710-794). In Bezug auf Kimono wird ein Kanoko-Muster normalerweise mit der Shiboritechnik (Abbindetechnik) hergestellt. Da diese Färbetechnik sehr hohes Geschick erfordert und ein hoher Zeitaufwand nötig ist, ist auch der Kaufpreis entsprechend hoch. Da Kanoko-Shibori in der Edo-Zeit (1603-1868) als Luxusware eingestuft wurde, war der Besitz von Kanoko-gemusterten Textilien auf die Adelsklasse beschränkt.
Immer wieder findet man das Kanoko-Muster allerdings auch in aufgedruckter Form.
Kikkô – Schildkröte / Sechseck きっこう 亀甲

Das Kikkô-Muster ist eines der beliebtesten Omen für ein langes leben und Glück. Das Kikkô-Motiv stellt stilisiert einen Schildkrötenpanzer (kikkô / kame no kou = Schildkröte + Panzer) dar, als einzelnes Element oder als Gittermuster. In Kombination mit dem Kranich (tsuru) kennt man das Motiv als einen der beliebtesten Glücksbringer unter der Bezeichnung „tsuru-kame“ (Kranich-Schildkröte).
Die Beliebtheit des Kikkô-Musters als Motiv auf Kimono & Co. hat sich seit der Heian-Zeit bis in die Gegenwart fortgesetzt.
Es gibt unzählige Variationen des Sechseckmusters, z.B. bishamonkikkô (3 kombinierte Sechsecke), kikkô-hanabishi (1 Sechseck mit Blumenfüllung) oder yaburekikkô (unterbrochenes Kikkô-Gittermuster).
Hishi – Raute ひし 菱

Die Basis des Hishi-Musters ist ein gleichmäßiges Gitternetz aus Linien, die sich in einem bestimmten Winkel kreuzen, so dass ein Rautenmuster entsteht. Die Linien können dabei breit oder schmal sein, die Rauten leer oder gefüllt.
Japanische Muster sind in verschiedensten Variationen anzutreffen. So auch das Hishi-Muster, das als halbierte Raute im Asanoha-Muster zu sehen ist oder eben als Rautengitter, gefüllt mit Bambusblättern (takebishi = Bambusraute) oder Blumen (hanabishi = Blumenraute). Durch das Auf- und Ineinanderstapeln von 3er-Gruppen aus hishi entstehen wieder neue Variationen wie das „matsukawabishi“- oder das „matsukawabishikuzushi“.
Auch im Namen der japanischen Automarke „Mitsubishi“ taucht die Raute übrigens auf (三菱 = Mitsubishi = „3 Rauten“).
Das Hishi-Muster kann bis in Japans prähistorische Zeit zurückverfolgt werden: es wurde bereits auf Verzierung auf Töpferware aus der Jômon-Zeit (14000 – 300 v.Chr.) gefunden.
Kagome – Bambusgitter かごめ 籠目

Das Kagome-Muster stellt ein Korbgeflecht dar, wie es auch heute noch in den meisten japanischen Haushalten anzutreffen ist. Hierzulande sitzen einige von Ihnen vielleicht gerade in diesem Moment auf einem Stuhl mit einem derartigen Korbgeflecht. Ob man in diesem Gitter nun Sechsecke, Sterne oder gegengleich übereinander liegende Dreiecke als Basiselement sieht, hängt von der Betrachtungsweise ab.
Samekomon – Haifischmuster さめこもん 鮫小紋

Das Samekomon-Muster stilisiert eine Haischhaut (s.a. Bilder dazu bei Google…). Dieses Muster dient im japanischen Volksglauben als Schutz vor dem Bösen und Krankheiten. Früher war es üblich, dass die Braut unter anderem einen Samekomon-gemusterten Kimono mit in die Ehe brachte. Da die Haifischhaut bzw. Haifischleder sehr hart ist, in die Schutzfunktion, die man ihm zuschreibt, leicht nachzuvollziehen.
Die Haut von bestimmten Haien und Rochen wurde in Japan schon im 8. Jahrhundert zu Leder verarbeitet und z.B. für Brustplatten von Samurairüstungen, Schwertgriffe verwendet. Reiben aus Haifischhaut (samegawa-oroshi) werden auch heute noch gerne von Kennern für das Reiben von Wasabi verwendet.
Higaki – Zypressenholzgeflecht ひがき 檜垣

Das Higaki-Muster ist einem aus Zypressenholz geflochtenen Zaun nachempfunden. Es wird gerne als Webmuster in Rinzu-Seide (Satin) oder als Motiv für durchgemusterte Kimono (Komono-Kimono) oder als Basismuster für Obi (Kimonoschärpen) verwendet. Die Variationen dieses Musters sind zwar nicht so zahlreich, dennoch ergibt sich durch die Kombination mit anderen Motiven eine große Spannweite an Abwandlungen in Farbe und Form.
Text + Bilder: © V. Nagata, KIMONO-KIMONO